12 Tjani / Koowu
Umzingelt von vier eher wenig bedrohlichen Spatzen und in einer fremden Sprache angeschrien konnte Tjani nichts weiter tun, als die Flügel anzulegen, den Kopf nahe an die Schultern zu ziehen und abzuwarten, bis man es endlich aufgab, sie anzuschreien.
Stattdessen flogen aber wieder einige von den Libellen fort – offensichtlich schnelle Boten – und kehrten kurze Zeit darauf mit noch mehr Libellen zurück. Bald saß Tjani auf dem gebrochenen Schilf, umringt von hunderten Libellenwesen, die meisten bewaffnet.
Alle waren sie schön, mit großen, ganz ausgefüllten Augen, zugespitzten Ohren und schillernden Chitinleibern, an denen vier zarte Flügel harte Arbeit leisteten, um sie in der Luft zu halten. Die meisten schwebten leichthin auf der Stelle, etwas, das Tjani bewundernd anstarrte, hätte sie selbst es doch nie zu Wege gebracht.
Tjani hatte ehrlicherweise keine Ahnung, was sie nun tun sollte. Als einer der Anführer eine Pause darin machte, ihr Unverständliches ins Gesicht zu blaffen, klapperte sie mit dem Schnabel.
Sofort herrschte verschreckte Stille, die Tjani nutzte, um sich zu verbeugen – erschrockenes Luftschnappen – und laut und deutlich zu sagen: „Bitte – FRIEDEN!“
Sie hoffte, auf diese Weise deutlich machen zu können, dass sie keine Bedrohung darstellte, und gleichzeitig, dass sie die Sprache der Libellen nicht verstand.
Aber als sie wieder aufsah, hatte jede einzelne Libelle seine oder ihre Waffe gezogen und auf sie gerichtet.
Tjani stiegen unwillkürlich die Tränen in die Augen. Warum machte sie alles immer nur falsch?
„Kossa. Koma puahas!“ rief ein dünnes Stimmchen irgendwo aus dem Hintergrund. „Koma mimpabkri sedusha.“ Aufgeregtes Tuscheln folgte. „Geh… da weg!“ rief dasselbe Stimmchen ihr zu. Tjani sah sich um. Sie saß auf dem geknickten Schilfstapel, hinter sich ihr Schlafbau von den letzten Tagen. Im weiten Umkreis waren Äste, Steine und alle anderen Sitzgelegenheiten von Libellenwesen besetzt. Wenn Tjani auch nur die Flügel entfaltete, würde sie drei oder vier der kleinen Wesen einfach davonschleudern.
„Wohin?“ fragte sie deshalb verzweifelt.
Es folgte ein kräftiger Fluch und eine unverständliche Anweisung. Die Libellen auf dem großen Stein, der ein ganzes Stück hinter ihr halb aus dem See ragte, flogen auf. Tjani reckte sehr langsam den Hals und stakste ungeschickt von dem Schilfrohr herunter bis zum Wasser. Ein kurzes Aufflattern ließ sie auf den Stein hüpfen. Dort drehte sie sich vorsichtig zu den wartenden Libellen. „…So?“ fragte sie halblaut, sich erneut verbeugend. Auf keinen Fall wollte sie eine Bedrohung für diese kriegerischen Leute darstellen. Sie waren zwar klein, aber es waren Hunderte von ihnen, alle bewaffnet mit nadelgroßen Pfeilen und zahnstochergroßen Speeren. Sie hätten Tjani durchaus arg zusetzen können.
Wieder folgte erschrockenes Aufatmen, dann Getuschel. Aus dem Pulk löste sich eine einzelner Libellenmann, der ihr zunickte.
„Besser,“ sagte er langsam. „Jetzt… nie mehr picken, ja?“