August 1

9 Jori Gid’eron / Ada

Lächelnd sah die Vogelfrau auf den schlafenden Ada auf ihrem Schoß herab, löste vorsichtig die Hand aus seinen schwarzen langen Flechten.
„Seht ihr – er ist noch ein Kind,“ sagte sie in ihrer seltsamen, von Klicklauten durchsetzten Sprache zu den anderen Vier.

„Im Vergleich zu uns sind viele der anderen Schläge noch Kinder,“ widersprach !Xirruku ihr mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. „Dennoch haben sie ihre eigene Lebensspanne und ihren eigenen Kreislauf von Leben und Tod. Du solltest nicht von den Lebenslinien in seinem Gesicht auf sein Alter schließen; dieses Urteil muss unweigerlich zu einer Täuschung führen.
Und außerdem – er ist ganz augenscheinlich allein. Welcher Schlag würde ein Kind allein in diesen Ruinen aussetzen?“

„Ich weiß es nicht,“ gab Urrikka-tikka, die älteste der Vogelwesen, ihr Einverständnis zu !Xirrukus Ausführung. „Aber ich fürchte, es steckt ein schreckliches Schicksal dahinter.
Wir müssen versuchen, mit ihm zu sprechen, wenn er halbwegs wieder bei Kräften ist. Und über seine Halskette.“

„Er hat aus dem heiligen sehenden Teich getrunken und darin gebadet, Älteste,“ gab Trrajkja, die andere Vogelfrau, zu bedenken. „Zunächst gehört er bestraft; falls er es überhaupt überlebt.“

Doch Urrikka-tikka schüttelte den Kopf. „Wenn er es überlebt, hat er genug Schmerz und Wahn gesehen,“ sagte sie leise. „denn dann hat er gesehen, wie die Welt inzwischen geworden ist; kalt und einsam. Das ist Strafe genug.“

Alle fünf nickten einmal ruckartig mit dem Kopf; ein Zeichen des Einverständnisses unter den Albae, wie sich die Vogelmenschen selbst nannten. „Wie ihr es vorausseht, Älteste,“ antwortete Trrajkja noch förmlich, bevor sich die vier anderen wieder an ihre jeweiligen Arbeiten machten.

Urrikka-tikka streichelte weiter Joris schwarze Haare und sah zu dem schlafenden Panthermenschen hinab. Wie sie es voraus sah.


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht1. August 2020 von ZuMe in Kategorie "Ada", "FvT