Juli 14

6 Jori Gid’eron / Ada

Ruhig erkannte er, dass er ertrinken würde, wenn er nicht bald in seinen Körper zurückfand und seine Arme und Tatzen bewegen würde.
Doch irgendwie schien ihm diese Erkenntnis unwichtig – nebensächlich vor der Tatsache, dass der Raum, in dem er sich befand, begann, sich zu verändern.
Moos und Schimmelflecken heilten, während er ihnen zusah, verschwanden schließlich ganz. Ein gelbliches, grünliches Licht begann, den Raum zu durchfluten, ausgehend von einer ruhigen Kristalllampe in einer filigranen, silberfarbenen Halterung am Herzstück der Wendeltreppe, die zuvor noch gar nicht da gewesen war.
Die Wände überzogen sich mit weißem Putz, von oben bis nach unten ins Wasser reichend, und alsdann bildeten sich darauf farbenprächtige, mit Gold und Silber abgestimmte Malereien, die seltsame, vogelartige Wesen zeigten. Der Wasserstand schien ein wenig zu fallen, die Treppenstufen trockneten ab und glänzten mit glatten Fliesen, und dann wurde Joris Geist erneut aus dem Turm heraus gezogen, schwebte durch Licht und Luft und fand sich zu seinem großem Erstaunen über einer vollkommen unversehrten Ansiedlung wieder, die noch um einiges größer zu sein schien, als Jori an den verfallenen Ruinen zu erkennen geglaubt hatte.
Und jetzt waren die Straßen gepflastert, die flachen Dächer mit einer Art goldfarbener Grasmatten bedeckt, die Häuser allesamt unbeschädigt und makellos weiß. Hier und da spannte sich ein bunt gewebtes Vordach vor den Eingängen aus dunklem Holz, Marktstände waren zu sehen, und überall ging Vogelvolk ein und aus; schwebte mit Joris unsichtbarem Geist am Himmel.
Höher zog es ihn und höher, in den blauen, wolkenlosen Himmel hinein, bis er nicht mehr wusste, ob er noch flog oder schon stürzte….

Als Jori erwachte, war er trocken. Er lag auf einer weichen Decke in der Nähe eines Feuers, und obwohl in seinem Magen noch immer der Hunger brannte, war ihm warm – verglichen mit den Strapazen der letzten Wochen im Wald war ihm beinahe paradiesisch wohl zumute. Als nächstes jedoch stellte er fest, dass seine vier Tatzen mit dünnen Lederriemen gefesselt waren, und auch seine Hände.


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht14. Juli 2020 von ZuMe in Kategorie "Ada", "FvT