3 Tjani / Koowu
„Ich bin die Schnellste,“ unterbrach die fünfte junge Jägerin ihre Gedanken ziemlich ruppig und sah sie trotzig an, als wolle sie Widerspruch hervorrufen.
Neben ihr wurde das Getuschel und Gekicher der vier Freundinnen lauter.
„Und Dein Name ist…?“ fragte Walja-lu die magere kleine Eule behutsam.
„Ich bin Tjani,“ antwortete die junge Jägerin halblaut und sah dabei etwas unglücklich zu Boden. Walja-lu überlegte. Von Tjani der Waisen hatte sie schon gehört, denn viele Eulen des großen Baumes hielten ihre bisherige tragische Lebensgeschichte für den derzeit interessantesten Tratsch und erzählten die Geschichte des Unfalltodes ihrer Eltern mit Genuss im ganzen Baum herum.
Walja-lu musste ein „das tut mit leid,“ mit Macht unterdrücken. Stattdessen versuchte sie ein Lächeln.
„Sie ist wirklich die Schnellste, Meisterin Walja-lu“ meldete sich Falett nun zu Wort, „und außerdem dürfte es ihrer Frisur überhaupt nicht schaden, drei oder vier Nächte im Freien zu verbringen. Ich bin sicher, sie ist die Richtige für Euch.“
Und mit diesen hohntriefenden Worten stolzierten die übrigen 4 Jägerinnen aus dem Versammlungsraum, natürlich nicht ohne kräftiges Kichern.
Halbwüchsige! Nun hatte Walja-lu keine Wahl mehr.
Sie nickte und sagte so freundlich wie möglich:
„Ja, ich glaube du bist tatsächlich die Richtige, Tjani. Hier, sieh – ich habe schon alles gepackt, was an Vorräten nötig ist. Du kannst sofort aufbrechen.“
Tjani nickte und öffnete kurz das Tragetuch, um den Inhalt zu überprüfen.
„Ich stecke vorsichtshalber noch meine Waffen dazu, Meisterin Walja-lu,“ sagte sie dann nüchtern und sah die Ältere einen Augenblick lang prüfend an.
„Ich habe auch eine Bitte, Meisterin Walja-lu?“
„Und die wäre?“
„Ich möchte bitte einmal persönlich den Meister Moiwa-tze treffen. Meint Ihr, dass das geht?“ fragte die kleine Eule mit den großen, wissbegierigen Augen.
Walja-lu schmunzelte.
„Wenn Du zurück kehrst, wirst Du diesen Schläft-nicht zum großen Meister Moiwa-tze bringen, Jägerin Tjani. Versprochen.“
„Prima,“ war alles, was die junge Eule dazu sagte.
Dann packte sie das Tragetuch und schlüpfte aus der Messe. Nachdenklich sah Walja-lu ihr nach.
Ihr Verstand sagte ihr, dass sie das Richtige getan hatte, doch in ihrem Herzen waren Zweifel, ob Moiwa-tze dies verstehen würde.
Und wenn sie keinen Erfolg hat? Wenn sie verletzt oder gar getötet wird? Zweifel schlichen sich in Walja-lus Herz. Während die Hörner den Beginn der zweiten Wache verkündeten, schlich sich eine reichlich kleinlaute Walja-lu durch die hölzernen Gänge und über die gewundenen Treppen zu den Jägerquartieren, zu Torrek. An ihn gekuschelt berichtete sie ihm und ließ sich von seinen sanften Worten und starken Armen trösten.