Juli 14

3 Jori Gid’eron / Ada

Und Mela’chak starb. An einem stürmischen Herbstmorgen wollte er einfach nicht mehr aufstehen, und als Jori an seiner Schlafmatte sitzen blieb, um dem alten Mann den Weg zu den Großvaterbäumen wenigstens mit ein wenig Gesellschaft zu erleichtern, stürmte Unnin aus der Hütte, rannte den ganzen Weg bis zum großen Feuer und erzählte dem Waldältesten, Jori habe einen Fluch über ihren Kräutermann gewirkt, so dass er nun elendiglich sterben müsse.

Nicht viele von Joris Freunden wollten für ihn und gegen Unnins Anklage sprechen an diesem Abend in der Hütte des Waldältesten, und so wurde entschieden, dass das Feuer zu Joris Vergehen befragt werden sollte.

Das große Feuer, das seit eh und je in der Hütte des Waldältesten in einer großen irdenen Schale brannte und im Winter sogar mit in die Höhlen umzog, war von den Altvorderen entzündet worden und wurde seit Generationen am Leben erhalten.

Jori musste sich vor diese Feuerschale setzen; Unnin als der Nachfolger des Kräutermanns übergab ihm einen Kiefernzapfen, den er ins Feuer werfen sollte. Wenn der Zapfen unter Knacken und Funkenstieben verbrannte, galt dies als gutes Zeichen und brachte Glück.

Doch Unnin hatte den Kiefernzapfen durchnässt – wie Jori später erfuhr sogar mit seinem eigenen Urin – und als er ihn ins Feuer warf, gab er nur ein schwächliches Zischen von sich und wollte gar nicht brennen.

Nun wurde Jori als Ursache für all das Unglück gesehen, dass den Ada in den letzten Jahren geschehen war. Stolz reckte Unnin sein von der Borkenmaske verdecktes Haupt und stieß einen bestätigenden Schrei aus.

Traurig schüttelte der Waldälteste sein Haupt und verkündete Joris Verbannung. Ein Geist sollte er von nun an sein, dem keiner Gehör schenken durfte. Joris Name durfte, wie der eines Toten, nicht mehr erwähnt werden, und ihm Essen oder Trinken anzubieten, war verboten.

Joris eigene Eltern – die sich seiner angenommen hatten, nachdem man ihn aus dem Fluss gefischt hatte, die ihm Milch zu trinken gegeben hatten und mit denen er gerauft, gejagt und gefischt hatte, seit er denken konnte – huben für ihren lebendigen Sohn ein Grab aus und hielten Trauerandacht für ihn.

Vanta, Joris Vater, stellte all die Dinge, die Jori gehört hatten, vor sein Haus; wie man es bei einem Verstorbenen macht, damit diejenigen, die etwas brauchen, es sich heraussuchen können.


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht14. Juli 2020 von ZuMe in Kategorie "Ada", "FvT