20 Jori Gid’eron / Ada
!Xirruku nickte erneut und ging davon, um den anderen Krieger zu holen. Der wortkarge Pakaa’ke schnalzte nur unwillig mit der Zunge, doch dann machten sich die beiden Albae daran, Jori aus dem Wasser zu ziehen und den Hügel hinauf bis zum Feuer zu schleifen.
Obwohl sie zu stolz waren, um es einzugestehen, waren sie sehr froh, als Trrajkja und Zu!xaqa ihnen schließlich zu Hilfe kamen. Nur zu viert konnten sie den schweren Pantherkörper gut bewegen; Jori selbst war so halt- und hilflos wie ein Stein, gefangen in einem neuen Traum.
Als Jori erwachte, dachte er zunächst, er sei schon wieder gefesselt. Nach wenigen Sekunden jedoch stellte er fest, dass er in zwei weiche Decken eingewickelt war und in der Nähe des niedrig brennenden Feuers lag.
Jori streckte wohlig alle Glieder und ließ die Augen noch für einen Moment geschlossen. Er wusste nicht mehr, wann er das letzte Mal so ausgeruht, vollkommen und rundherum so wohlig warm gewesen war, und er dachte für sich, dass dies wohl die allergrößte Annehmlichkeit auf der ganzen Welt sein mochte – so zu erwachen.
Er hörte die Stimmen der Vogelleute am Feuer. Ob er wohl die Sprache dieses Schlages lernen könnte? Immerhin hatte Urrikka-tikka ja auch die seine gelernt.
Er versuchte, mit geschlossenen Augen auf den Rhythmus der fremden Sprache zu lauschen, Worte darin zu erkennen – aber es dauerte nicht lange, dann gab er es auf. Die vielen harten Laute, das ständige Schnalzen und Klicken verwirrten ihn, und einen Sinn konnte er darin erst recht nicht erkennen.
Er öffnete die Augen und blickte zur Mittagssonne herauf. Essensduft wehte vom Feuer herüber – Fisch, in Blättern schmorend, und der ihm in seiner Zusammensetzung noch immer unbekannte, aber wohlschmeckende Brei der Albae, sagte ihm seine Nase sofort – und Jori richtete sich vorsichtig auf.
Seinem Körper schien es heute besser zu gehen als gestern, und sein Magen knurrte so laut, dass Jori sich erschrocken umsah. Alle Augen richteten sich auf ihn.
„Guten Tag,“ sagte er leise zu den Vogelmenschen, vorsichtig.
Urrikka-tikka lächelte. „Guten Tag, Jäger. Es scheint, Dein Magen hat eine leere Stelle, hm?“
Jori grinste und nickte. Während er mit den anderen zusammen auf das Essen wartete, nahm er sich die Zeit, die Vogelleute zu mustern und sich ihre so fremden Gesichtszüge einzuprägen.
Urrikka-tikka war unzweifelhaft die Älteste. Ihr Gesicht war nicht von Falten und Linien gezeichnet, wie es Jori von den alten Frauen seines Stammes kannte, aber es strahlte eine große, vielleicht ein wenig traurige Weisheit aus, ein über lange Jahre verborgenenes Geheimnis. Für Jori sah die Vogelälteste aus, als bestehe sie vor allem aus Geduld und Strenge; ihr einfaches weißes Gewand und die weißen Vogelfedern, die die Albae anstelle von Haaren auf dem Kopf hatten, unterstützten diesen Eindruck noch.
!Xirruku saß direkt neben ihr. Er sah jünger aus als Urrikka-tikka, wachsamer und … schärfer. Jori bemerkte, dass er seine Hand nie weit von seinem Schwertgurt fort nahm. Seine Haut war ein wenig dunkler als die der anderen; nicht mehr ganz milchweiß, sondern eher leicht gräulich. Pakaa’ke saß auf der anderen Seite von Urrikka-tikka; er wirkte nachdenklicher als sein Krieger-bruder. Jori fielen die schlanken, schnellen Hände auf. Bogenschütze, dachte er. Pakaa’ke schien so wenig wie möglich sprechen zu wollen. Die meisten Fragen, die an ihn gerichtet wurden – Jori erkannte dies vor allem an den dunklen Augen der Albae, die die Gesichter dieser Fremden so ausdrucksvoll beherrschten – beantwortete Pakaa’ke nur mit einem kurzen, leisen Klicken. Er wirkte verschlossen auf Jori, wie jemand, der gerne allein wäre und es nicht sein darf.
Die zwei Frauen, Trrajkja und Zu!xaqa, flüsterten gerade mit einander. Jori betrachtete sie nachdenklich. Trrajkja wirkte befehlsgewohnt; sie strich mit einer Hand ständig an ihren Federn herum. Sie hatte sich goldenen Schmuck in die Ohren gestochen, und von ihren Kopffedern hingen ein paar lange, goldene Ketten herunter bis zu ihren Schultern. Es klimperte, wenn sie den Kopf drehte, und genauso wie Jori schien dieses Geräusch Pakaa’ke gründlich zu missfallen.
Stört die Jagd, wurde Jori klar. Pakaa’ke musste auch Jäger sein wie er selbst. Er hätte Trrajkja auch nicht mit genommen, wenn er auf die Pirsch ging.
Zu!xaqa sah zu Boden und nickte viel. Sie fütterte das Feuer und stocherte immer und immer wieder in der Glut herum, als sei sie mit ihr nicht zufrieden. Eigentlich macht sie die ganze Arbeit, beobachtete Jori, als er den beiden Frauen zusah. Zu!qaxa wendete die Fische geschickt mit zwei flachen Stöcken und rührte den Brei, damit er nicht anbrannte.