Juli 13

2 Anan-Re / Jadeira

Anans Freundinnen begrüßten sie mit Johlen und Freuden-pfiffen und -schreien, als sie den Vorhang des schwarzen Zeltes zurückschlug und mit ihren Waffen eintrat.

„Anan-re! Anan-re!“ skandierten sie und geleiteten sie zur teppichbedeckten Zeltmitte, wo auf einem Brocken glühender Kohle duftendes Räucherwerk verbrannt wurde.

Zu sechst, und noch ohne große Worte zu machen, fielen die Freundinnen Anan in die Arme – der gemeinsame Ansturm warf sie fast von den Tatzen.

Singend, lachend und hin und wieder den Kampfschrei der Jadeira ausstoßend entkleideten sie die Freundinnen, striegelten ihr Fell, wuschen ihren staubbedeckten Oberkörper und kämmten und flochten ihr die Haare neu. Duftende Öle wurden gebracht, leuchtend bunte Perlen in die Zöpfe gewebt.

Zuletzt malte Miran ihr mit Kahjo-Kohle die schwarzen Jäger-Augen auf die geschlossenen Lider. Anan kam sich so schön vor wie noch nie und platzte beinahe vor Stolz.

Nicht sehr viele Mädchen wollten Jägerinnen werden – keine ihrer Freundinnen hatte die Große Jagd abgehalten, denn die Jadeira waren sehr erfolgreiche Viehzüchter und die Frauen hatten es darum kaum noch nötig, zu jagen – aber Anan fand es nur umso schöner, dass sie alle sich dennoch so sehr mit mir freuten.

Anan hatte schon immer den Wunsch gehabt, Jägerin zu werden, fühlte sie sich doch erst dann ganz und frei, wenn sie sich an eine nichts ahnende Beute heranpirschte. Nein, dieses Gefühl war wahrhaftig von nichts in der Welt zu übertreffen.

„Du siehst wunderschön aus!“ freute sich Ainwe, als sie die nun schwarz umrandeten Augen wieder öffnen durfte. „Bittest Du nun Kimar zum Tanz?“ Alle fingen an zu kichern, und Anan wurde rot.

Bis die Sonne endgültig hinter den Sandsteinhügeln im Westen untergegangen war, feierte Anan mit ihren Freundinnen. Dann, als die Tageshitze endlich nachgelassen hatte und die Räucherkohle ihre Sinne schon herumwirbeln ließ wie der heiße Wüstenwind den losen Sand, öffneten sie die Zeltwand und tanzten hinaus zum großen Feuer in der Mitte des Lagers.

Der neue Stern, den die Ältesten den Seelenfänger nannten, stand beinahe so hell am Himmel wie der volle Mond, der sich allerdings erst gerade eben im Osten hinter den Dattelpalmen emporschwang und dem dämmernden Himmel einen schönen, türkisen Ton verlieh.

Die Grillen begannen in der kühleren Abendluft gerade ihr endloses Konzert, Anan und ihre Freundinnen sangen den großen Jagdgesang mit all den Strophen, die sie kannten, und über dem Feuer briet Anans Jagdbeute als Festschmaus für alle Jadeira. Anan hatte das Gefühl, bald vor Glück platzen zu müssen.


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht13. Juli 2020 von ZuMe in Kategorie "FvT", "Jadeira