18 Jori Gid’eron / Ada
„Ich bin Urrikka-tikka, Älteste vom Volk der Albae und Mutter von vier .. starken Krieger-Eiern.“ Sie klang unsicher, als sie das sagte, und Jori überlegte, ob es wohl bedeuten könnte, dass sie vier erwachsene Söhne hatte.
„Ich bin einstmals die Erste Träumerin von Lebanis gewesen, ehe es verlassen wurde. Nun bin ich nur noch die Älteste.“
„Und wer sitzt mit Dir am Feuer, Älteste?“ fragte Jori.
„!Xirruku und Pakaa’ke sind Krieger, die mich und meine beiden Nest-töchter begleiten. Trrajkja ist meine Tochter und !Xirrukus Frau, und Zu!xaqa … ist… war… die Frau meines Kriegersohns Thii’tete. Er ist … in die Himmel geflogen, vor einiger Zeit.“
Jori verstand von der Rede seines Gegenübers kaum etwas, soviele seltsame Laute kamen darin vor. Immerhin schien sie seinen Forderungen nachzukommen. Sie hatte ihn auch nicht belogen, was seine Freiheit anging – auch, wenn ihr offensichtlich schon lange vor ihm klar gewesen war, dass er mit dieser seiner Freiheit rein gar nichts anfangen konnte.
„Warum nennst Du mich Pantherkind?“ fragte er als nächstes, um Zeit zu gewinnen. Er steckte das Messer ein, ließ sie aber nicht aus den Augen. Sie wollte ihn nicht angreifen, soviel schien ihm klar – aber: was wollte sie eigentlich?
Seine Beine schmerzten, nur von der geringen Aufgabe, sein Gewicht zu tragen. Nun hatte er fast einen ganzen Mond lang geschlafen und fühlte sich so müde, als hätte er es sein ganzes Leben lang nicht!
Urrikka-tikka lächelte vorsichtig, dann deutete sie auf sein schwarzes Fell. „Du bist doch Pantherschlag, oder nicht?“
Jori schüttelte den Kopf. „Kennst Du Menschen wie mich?“ fragte er neugierig. „Ich gehöre zu den Ada vom Jaguarschlag, doch sie haben mich davongejagt, weil mein Fell so schwarz ist. Verflucht, sagen sie.“
Urrikka-tikka machte schmale Augen, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich kenne niemandem vom Pantherschlag. Ich.. habe nur… eine Geschichte gehört von diesem Menschenschlag. Ich dachte, du gehörst zu ihnen. Verzeih mir; ich werde Dich nicht wieder so nennen.“
Jori musterte Urrikka-tikka und beruhigte die Aufregung, die sein Herz zum flattern bringen wollte.
„Wer hat Dir die Geschichte erzählt? Kannst Du mich zu ihm bringen?“
„Ich… ja…. nein. Ich kenne die Worte nicht, die ich brauche, um Dir zu sagen, woher ich von diesem Schlag weiss. Aber ich will versuchen, Dir alles zu erzählen, was mir dazu einfällt.“
Urrikka-tikka sah nicht glücklich aus mit dieser Formulierung; sie schien mit den fremden Worten aus Joris Sprache beinahe zu kämpfen. Sie gibt sich Mühe, dachte Jori. Mehr Mühe, als ich mir jemals geben könnte. Sie hat in einem dreiviertel Mond meine Sprache gelernt, nur, um mit mir sprechen zu können.
„Was willst Du von mir, Albae-Frau?“ fragte er. Es ist Zeit, dieses Spielchen sein zu lassen. Sag mir die Wahrheit.
„Ich…“ Urrikka-tikka zögerte, dann holte sie etwas hervor, das im Mondlicht blitzte. „Ich wollte nicht stehlen. Es gehört Dir.“ Mein Anhänger!
Urrikka-tikka legte den kleinen, silbrigen Gegenstand auf den lehmigen Boden und trat einen Schritt zurück.
„Er ist von Deinem Hals gefallen, als ich Dich gefüttert habe.“ Jori erinnerte sich verlegen an die seltsame Situation, als Urrikka-tikka ihn auf ihren Schoß genommen und gepflegt hatte, als sei er ein kleines Kind.
„Er ist von meinem Volk gemacht, und er ist sehr wertvoll für uns. Wenn… Du uns sagen kannst, woher Du ihn hast?“
„Er kam mit mir zusammen den Fluss hinunter. Er lag in dem Körbchen, in dem ich von den Ada gefunden wurde.“
Jori langte nach dem Anhänger und riss ihn an sich, schnellte sich wieder aus der Reichweite der alten Frau fort, bevor sie reagieren konnte. Doch seine schnelle Aktion wurde von seinen müden Muskeln nicht gut aufgenommen – kaum war der Satz nach hinten geglückt, knickten seine Beine ein, und er lag halb, halb kniete er im feuchten Uferschlamm. Soviel zu meinem Bad…
Urrikka-tikka belächelte seine Situation nicht.
„Deine Beine sind schwach geworden, weil Du so lange träumend gelegen hast,“ sagte sie langsam. „Du musst ihnen Zeit geben, damit sie wieder stark und schnell werden können.“
Jori nickte. Er fühlte sich unendlich müde, aber er wollte – er durfte – dem Drang zu schlafen nicht nachgeben. Zwar war er fast überzeugt, dass Urrikka-tikka es mit ihm ehrlich meinte, doch ob ihre Ehrlichkeit auch etwas Gutes für Jori bedeutete, war für ihn noch nicht sicher.
Er witterte. Irgendwas…