Juli 14

17 Anan-Re / Jadeira

Es schien endlos zu dauern, bis die Sonne unterging und es im Zelt ein wenig kühler wurde. Gleichzeitig schien es Anan, als rase die Zeit dahin, als hätte sie noch hunderte Dinge vorzubereiten und könne nichts davon erledigen.

Ein paar mal kam die Wache, die Ainwe Ogonn genannt hatte, ins Zelt und sah nach ihr.

Tatsächlich machte er einen eher zurückhaltenden und freundlichen Eindruck, ganz so, wie Ainwe ihn von Trakras gesamter restlicher Jagdgruppe beschrieben hatte.

Er entschuldigte sich sogar dafür, dass sie hier gefesselt im Zelt liegen musste. Seltsamerweise bestätigte das Anan nur in ihren Plänen.

Trakra selbst war die Wurzel des Übels und ihrer würde sie sich heute abend annehmen.

Tatsächlich klappte – dank ihrer Freundinnen – alles wie am Schnürchen. Traka war noch nicht lange im Zelt, hatte nur seine geheuchelte Eingangsrede gehalten, dass er ihre Fesselung zutiefst bedauere, sie sich aber selbst in diese unangenehme Lage gebracht habe – da brachte man ihm auch schon eine große Platte mit einem saftigen Bratenstück, das mit Nüssen bestreut war. Trakra präsentierte es stolz als seine Jagdbeute, und Anan musste sich ein Lächeln verbeißen. Es war Rindfleisch von den Koppeln der Jadeira, noch dazu gut abgehangen. Dieses Stück Fleisch war ganz sicher nicht seine heutige Jagdbeute.

Doch seine großspurige Lüge nutzte sie, um sich bewundernd über den Braten zu beugen und ihren Vorrat an gehackten und gepulverten Traumnüssen der Kruste hinzuzufügen.

„Komm,“ sagte Trakra, „lass mich Dir aufschneiden. Du hast ja den ganzen Tag gehungert, nicht wahr? Nach mir, natürlich auch.“

Anan schloss die Lider, um ihr unmittelbares Augenrollen zu verbergen.

„Ogonn war so freundlich, sich um mich zu kümmern,“ erwiderte sie, „ohne ihn wäre ich halb verdurstet oder hätte Dich in meinen eigenen Exkrementen liegend empfangen müssen, Kowa‘.“

Trakra ging auf ihren feinsinnigen Tadel nicht ein, sondern schnitt stattdessen den Braten auf. Anan bildete sich ein, den Duft der Traumnüsse bis hier her riechen zu können. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals.

„Das ist nicht meine Jagdbeute,“ sagte Trakra plötzlich. Also hatte er jetzt auch erkannt, dass er Rindfleisch schnitt. Trakra nahm den Braten auf und schüttelte den Kopf.

„Sie müssen meine Antilope noch im Frauenzelt haben. Warte doch hier einen Augenblick, ja?“

Blanker Hohn, schließlich hatte Trakra ihre Fußfesseln nicht gelöst, nur gelockert.

Anan nickte nur stur. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr sprechen zu können, ihre Kehle war wie ausgedörrt.


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht14. Juli 2020 von ZuMe in Kategorie "FvT", "Jadeira