August 1

16 Jori Gid’eron / Ada

Jori sah noch einmal zu dem Lagerfeuer auf der Hügelkuppe zurück und zählte die Schatten. Fünf… wie hatte sich dieser Vogelschlag selbst genannt? Albae. Sie waren seltsam; geheimnisvoll und undurchschaubar für Jori. Als seien sie so umgeben mit den Erinnerungen an vergangene Dinge, dass die Gegenwart kaum bis an sie heran kam.

Nun, es half jetzt alles nichts – Jori war frei, und er war allein. Wenn sein Ziel Überleben war, musste er das beste aus seiner jetzigen Situation machen.

Eine Bestandsaufnahme war schnell gemacht: Jori hatte sein Jagdmesser und das Fell an seinem Körper – mehr besaß er nicht mehr.

Die stinkenden, schimmligen Felldecken, mit denen er sich auf seiner Wanderung hier her gewärmt hatte, hatten die Albae offensichtlich entsorgt; Jori verstand diese Entscheidung sehr gut. Er selbst hätte sie schon hundertmal fort geworfen, wenn er nicht ohne sie so jämmerlich gefroren hätte.

Er hatte auf seinem Weg hier her keine Möglichkeit gehabt, sie haltbar zu machen, und daher wären sie ohnehin nicht zu retten gewesen.

Proviant hatte er nicht besessen. Jori fasste sich an den Hals – selbst seine Kette war fort; sein Geburtszeichen. Das versetzte ihm allerdings einen wehmütigen Stich. Die Kette hatte sich in dem Körbchen befunden, in dem Jori im Fluss angetrieben worden war, und die Ada hatten sie ihm um den Hals gelegt, sobald nicht mehr die Gefahr bestand, dass er daran erstickte.

Es war ein seltsames Ding gewesen, dieser Anhänger an dem seither bereits drei- oder viermal ersetzten Lederriemen… ganz glatt und hart und dennoch angenehm für die Hände. Legte man es auf einen Baumstamm, wurde es kalt; trug man es um den Hals, wurde es warm. Die Ada hatten nie herausgefunden, was es darstellte oder bedeuten sollte, also hatten sie es als Joris Geburtszeichen bei ihm belassen. Sein Anhänger war – neben seiner so ungewöhnlichen schwarzen Fellfarbe – auch mit ein Quell des Argwohns unter den anderen Ada gewesen, und als es hieß er habe den Fluch der langen Winter über den Stamm gebracht, so hatte man auch vermutet, dass dieser Fluch in seinem Anhänger gefangen gesessen hatte und Jori ihm nun mit irgendwelchen unbedachten Worten zur Freiheit verholfen hatte.

Bestandsaufnahme beendet. Jori gehörte ein Messer. Darüber hinaus besaß er nichts, und er war allein – ganz allein. Das Feuer auf der Hügelkuppe rief es ihm noch einmal deutlich in Erinnerung. Was sollte er nun tun? Wo sollte er hin?


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht1. August 2020 von ZuMe in Kategorie "Ada", "FvT