Juli 14

11 Tjani / Koowu

Das Mädchen hatte Tjani genauso angestarrt, und als sie zu sprechen anfing, fiel ihr tatsächlich die winzige Kinnlade herunter.

„Alarm! Eindringling! Mayase zalazza!! Alarm!!“

Tjani blinzelte. Bis auf den lange schon überlegten Satz, auf den sie seiner Höflichkeit und Finesse wegen recht stolz war, hielten sich ihre diplomatischen Kenntnisse in Grenzen. Was in aller Welt sollte das bedeuten?

„Ehm…“ Tjani verbeugte sich erneut.

„Es tut mir leid, wenn ich Euch beleidigt haben sollte, ehrenwerte Dame von den Libellen. Ich wollte nicht unhöflich sein.“

„Alarm!!!“ schrie die Libelle in einem so hohen Ton, dass Tjani die Zähne weh taten. „Memmero Alarmstufe!“
Tjani sah sich um. „…Alarmstufe?“ fragte sie, vorsichtig.

  • „Pirizzo! Sedusha! Alarm!!“

Perplex sah Tjani sich um. Ihr Leben lang hatte man sie gelehrt, dass alle Flieger dieselbe Sprache verwandten, während die erdgebundenen Kriecher und Wühler sich in tausend verschiedenen Sprachen bekämpften. Offensichtlich… war nicht ganz richtig gewesen, was man sie gelehrt hatte.

„Zimoro zze, jashashta! Luftschutz medemmo! Landezonenverteidigung!! Mizzo Alarmstufe!!“

Die kleine geflügelte Frau hob ab und flog brummend davon. Tjani blieb verdattert sitzen und starrte dem schnellen Flug der Libelle nach.

Was war gerade geschehen…?

Nun beweg dich endlich, du dumme Kuh, schimpfte sich Tjani selbst, flieg ihr hinterher! Sie ist deine einzige Chance, das solltest Du doch mittlerweise wissen.

Du hast es versaubeutelt, war ja klar, du blöde Trine hast es irgendwie geschafft….

Ja, aber wie? Warum?

Ist doch egal, Heulsuse, flieg ihr nach!

Das bringt doch nichts, hast du nicht gehört? Sie scheint dich nicht oder du sie nicht richtig zu verstehen. Klar das liegt an dir, nur an dir! Jeder andere hätte eine gute Chance gehabt, aber Du musst es natürlich versauen...

Tjani schimpfte noch eine Weile mit sich selbst, hatte aber keine Chance mehr, die Libelle einzuholen. Die war viel zu schnell fort und viel zu klein. Schließlich landete sie wieder dort, wo sie die Libellenfrau gefunden hatte. Noch immer ging ihr nicht in den Kopf, dass sie zwar einen Teil der Worte verstanden, andere ihr aber völlig fremd gewesen waren. Was sollte das?

Warum hatte sie auf die höfliche Begrüßung so verschreckt reagiert? Dass sie die Libellen finden würde, nur um dann in einer seltsamen Sprache angeschrien zu werden – mit allem hätte sie gerechnet, aber damit nicht.

Es dauerte gar nicht lange – Tjani war noch nicht einmal durch die Hälfte der üblichen Schmipftirade hindurch, die sie sich selbst nach solchen Reinfällen grundsätzlich hielt – da flog ein ganzer Pulk Libellen auf sie zu. Sofort erkannte Tjani die präzise Formation und die Waffen, die die kleinen Leute bereit hielten. Sie hatten vier Spatzen dabei, die mit Zaumzeug gelenkt wurden und jeder eine seltsame Art Mechanismus trugen, der wohl Pfeile verschießen konnte. Eine Spatzen-Armbrust, bedient von Libellen?

Tjani gab auf. Diese Reise entwickelte sich mehr und mehr zu einem unverständlichen, sinnlosen Trip.

Sie legte die Flügel an und streckte die leeren Hände aus, um ihren Friedenswillen zu zeigen, dann wartete sie auf das, was da auf sie zukam. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.


Autor: Susanne Meyers. Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlicht14. Juli 2020 von ZuMe in Kategorie "FvT", "Koowu